Wenn das Ich ein fremdes Zuhause bewohnt – über Aufenthalte im Grenzland

Montag, den 04. November 2019 im Kalenderzimmer Kloster Lamspringe, Beginn 19:30 Uhr

Philosophischer Salon Kloster Lamspringe

Karten: 25€ inkl. Gebühren 

Ein phänomenologisch-theologischer Vortrag in performativer Szenerie zu Fragen von Fremdheit, Normalität und dem Wunsch, anzukommen“  – Katharina Gladisch und Victor Sudmann,

Auf den ersten Blick ist es ausgeschlossen, die Gefühle eines Menschen zu verstehen, der vor mehr als zweitausend Jahren gelebt hat. Auf den zweiten Blick ist es vielleicht nicht schwerer, als die Gefühle von jemanden zu verstehen, der vor fünfzig Jahren gelebt hat – oder der jetzt lebt. 

Wie ist es eigentlich gekommen, dass ich mir selbst fremd geworden bin? Das fragt sich Fabian, ein 18-jähriger Borderline-Erkrankter und verstrickt sich mächtig in den scheinbar heillosen Fäden seines jungen und doch schon so verwobenen Lebens.

Und wie ist es eigentlich gekommen, dass wir so souverän geworden sind, uns das Fremde einzuverleiben, so als wenn wir – mit den besten Kniffen der Selbstoptimierung und Selbstheilung – keine Grenzen mehr hätten, keinen Schrecken mehr, alles nur eine Frage des geübten Umgangs wäre. Das fragt sich die Referentin und sucht Antworten mit Bernhard Waldenfels‘ Phänomenologie des Fremden und seinen Überlegungen zu Grenzerfahrungen.

Was wäre eigentlich, wenn das fremde Herz meins würde und das die Antwort, nach der wir immer gesucht haben? Sollte das unsere Frage sein, zusammen mit Jean-Luc Nancy, dessen Herz transplantiert wurde. Sollten wir versuchen seine Erfahrungen uns zu transplantieren und damit Fabian, dem Borderliner, näher zu kommen? 

Warum haben wir eigentlich alle so unruhige Herzen, die ein Zuhause suchen und es doch nicht finden? Und was wäre, wenn wir uns unser Miteinander vorstellten als ein Aufenthalt in einem Grenzgebiet der unruhigen Herzen? Wenn uns der Stachel des Fremden sticht, was dann?

Hungrig nach Lösungen kommt Erlösung nicht aus uns selbst, sondern mittels Beziehungsarbeit bei Gelegenheit von woanders. Und bei dieser Gelegenheit im philosophischen Salon wollen wir diesen Satz von Bernd Beuscher unterfüttern, mit Gedanken und Szenen zur Borderline.

Denn wir alle gehen ein Stück unseres Lebens auf der Borderline.

Vita:

Katharina Gladisch, Jg. 1984 und Victor Sudmann, Jg. 1996, wurden beide nicht weit voneinander entfernt in Mecklenburg geboren, allerdings einige Jahre auseinander. Während Katharina schon die Schulbank drückte, druckste Victor noch mit seinen ersten Worten herum.

Katharina studierte Theologie und trat danach eine Stelle an der Universität Rostock im Bereich Systematische Theologie und Religionswissenschaft an. Victor studierte Medizin und ist jetzt im Praktischen Jahr seiner Ausbildung zum Arzt. Daneben aber, und hier beginnt der interessante Teil der bald gemeinsamen Vita, zog es ihn in die theologische Fakultät.

Es entwickelten sich energische Gespräche über die Ethik des Anderen, Victor schaute mit großen Augen Katharinas Inszenierung von Sartres „Geschlossener Gesellschaft“ an und spielte bald zusammen mit Katharina und ein paar Kommiliton*innen Theater. Als Theodorant, eine theologische Kabarettgruppe, folgten Auftritte bei Gemeindefeiern und ähnlichen Anlässen sowie ein riesiges Theaterprojekt mit über 30 Studierenden zum Reformationsjubiläum

Es drängte sich auch immer mehr die Medizin in die Theologie. Katharina kommt aus einer Mediziner*innenfamilie, Victor studierte zeitweise beides, es musste ja so kommen.

Bei langen Nächten der Wissenschaft in Rostock spielten sie ein Stück zum Thema Chimärenforschung und was eigentlich der Mensch-Gott mit Mäuse-Ratten zu tun hat, ein Jahr später einen szenisch illustrierten Vortrag zur Borderline-Persönlichkeits-Organisation.

Zum letzteren Thema schrieben die beiden ein abendfüllendes Theaterstück, das bei der Tagung der deutschen evangelischen Ethiker*innen in Loccum Premiere feierte. Es bildete hier so eine Art ästhetischen Kommentar zur Frage nach Normalität in der spätmodernen Gesellschaft.

Seitdem sind Katharina und Victor dabei, ein Buch über Seelsorge anhand des Stückes zu schreiben weitere Texte zu entwerfen, sich um Auftritte zu kümmern, Workshops zu gestalten. Das verbindende Element ist dabei immer: die akademischen Inhalte so mit theatralen Mitteln zu untermauern, dass Gesagtes sich leiblich im Raum vollzieht. Theakademik könnte man das nennen: Das ist Theologie und Theater und Akademik, das ist Theologie und Theater und Medizin, das sind Katharina Gladisch aus Rostock und Victor Sudmann aus Hamburg, das ist das Theoskop.

Moderation: Frau Dr. Susann Kabisch   
Für unsere neuen Mitglieder nachstehend Informationen über unsere Moderatorin Susann Kabisch, die seit Anfang 2016 für die Organisation des Philosophischen Salon mit verantwortlich ist.  

Dr. SUSANN KABISCH studierte in Hildesheim, Salzburg (Österreich) und Nijmegen (Niederlande) Philosophie, Theater-, Literatur- und Kulturwissenschaften.
Von Oktober 2013 bis September 2015 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Philosophie der Universität Hildesheim. In dieser Zeit organisierte sie Fachtagungen und hielt Seminare, u.a. zu den Themen wissenschaftliches Arbeiten, Philosophie der Künste und philosophische Mystik. Derzeit arbeitet sie an einem Dissertationsprojekt mit dem Arbeitstitel „Gott und die Welt in Szene gesetzt. Inszenierung als Erkenntnisweg bei Nikolaus von Kues“.

Unsere Sponsoren und Förderer